Geräucherte Austern am El Capitan –
Granitklettern im Yosemite Valley
Im Rahmen des Sektionsabends am 6. Februar berichteten Immanuel Hick und Immanuel Stahl, ehemalige Mitglieder der Jugendklettergruppe der Sektion Prien, von ihren Klettertouren an den „Big Walls“ im Yosemite Valley. Insgesamt vier Mal waren sie in den letzten Jahren dort, gemeinsam mit Alexander Hick und Cyrill Lachauer.
„Gleich beim ersten Mal hatten wir uns „The Nose“ vorgenommen, den Klassiker schlechthin an der 910 m hohen Südkante des „El Cap“ wie der El Capitan unter Kletterern genannt wird. Die Nose zu bezwingen ist der Traum vieler ambitionierter Kletterer. Alexander Hick hatte ein paar Jahre zuvor mit einem Freund einen Versuch unternommen an der Nose, welcher allerdings misslang. Starker Wind, der die Seile weit nach außen trieb und es unter den Kletterhelmen mächtig rauschen ließ, schüchterte sie ein, und so entschieden sie sich damals zur Umkehr.
Beim zweiten Kletterversuch an der „Nose“ im folgenden Jahr haben wir von vornherein mehr Zeit für die Vorbereitung eingeplant: Zehn Tage, um uns einzuklettern und an die senkrechten, eher glatten und ausgesetzten Granitwände zu gewöhnen.
Selbst wenn man die Hände mit Tapes für die Freikletter-Längen und mit Handschuhen für die technische Kletterei schützt, sind die Finger nach zwei Wochen Klettern an rauen Granitwänden, engen Rissen und Kaminen stark angeschwollen.
Das Klettern an den Big Walls erfordert außerdem eine ausgeklügelte Organisation: Man ist jedes Mal (in unserem Tempo) drei bis vier Tage in der Wand unterwegs und muss Wasservorräte, Proviant, Schlafsäcke etc. mitnehmen. Zusammen mit der umfangreichen Kletterausrüstung von mehreren Seilen, Klemmkeilen, Friends, Haken etc. summierte sich das Gewicht für uns vier auf insgesamt vielleicht etwa 120 Kilo.
Nach dem Klettern einer Seillänge wird das Equipment – und natürlich auch der Abfall – in Gepäcksäcken, sogenannten Haul Bags, nachgezogen.
Ein besonderer Leckerbissen am Abend nach anstrengenden Tagesetappen waren geräucherte Austern, die wir vorher in Kalifornien entdeckt und von denen wir mehrere Dosen mitgenommen hatten.
Der genaue Verlauf der Nose ist auf diesem Foto eingezeichnet:
Besonders schwierige Partien sind wir technisch geklettert. Einige der Höhepunkte sind die Boot Flake, dann der King Swing, wo man über 30m frei am Seil schwingend in ein benachbartes Risssystem quert – was einen besonderen Nervenkitzel verschafft, wenn man sich dabei nach außen dreht, und natürlich das Great Roof.
Nach 31 Seillängen auf dieser insgesamt sehr anspruchsvollen, langwierigen und ausgesetzten Route haben wir den Gipfel erreicht und eines der „Kronjuwelen“ des Yosemite Valley geschafft!
Bei unserem dritten Aufenthalt fuhren wir mitten im Winter ins Yosemite Valley. Um diese Zeit waren in den einschlägigen Routen kaum andere unterwegs. Im Februar ist es auch kein Problem, im Camp IV, dem nach einer Biwakstelle der „Nose“ benannten Campingplatz, sein Zelt aufzustellen.
Ziel war die Salathé-Route, ein weiterer Klassiker an der Südwestwand des „El Cap“. Die Unternehmung stand damals im Winter allerdings unter keinem guten Stern. Die Stimmung war etwas gedrückt, und es fehlte uns am nötigen Selbstvertrauen. Wir mussten im Februar mit den berüchtigten Winterstürmen rechnen und hatten deshalb zusätzliche Kleidung gegen Kälte und Nässe mitgenommen, was das Vorankommen weiter erschwerte. Am dritten Tag in der Wand machte uns das Schmelzwasser immer mehr zu schaffen. Unter diesen Umständen entschieden wir uns, die Tour leider abzubrechen.
Im Sommer des Folgejahres dann ein neuer Anlauf: Nach ausreichend Vorbereitungszeit, in der wir kaum Ruhetage eingelegt und uns auf langen Eingehtouren richtig gequält hatten, wagten wir uns erneut an die Salathé-Route mit ihren 35 Seillängen.
Die Salathé gilt als „natürlichste“ Routenführung am El Capitan und wartet mit vielen berüchtigten breiten Rissen, Kaminen und großen Felsvorsprüngen auf. Prägnante Stellen sind die Heart Ledges, eine herzförmig ausgebrochene Wandpartie, der Silver Dollar Kamin, die Mammoth Terrassen, Hollow Flake, The Ear.. Und es ist schon ein besonderes Erlebnis, auf dem El Cap Spire zu biwakieren mit dem Gedanken, dass dort auch Alexander und Thomas Huber, Wolfgang Güllich und die anderen berühmten Vorgänger auf dieser Route geschlafen hatten.
Ein grandioser Ausblick, nachdem der Gipfel erreicht ist, und ein etwas eigenartiges Gefühl, von dort oben auf die weiter unten fliegenden Hubschrauber zu herabzublicken.
Erwähnt sei noch, dass auch der Abstieg vom El Capitan nicht ungefährlich und zudem recht anstrengend ist – mit all dem Gepäck.“
Mit begeistertem Applaus dankte das Publikum den beiden Vortragenden für ihre packenden Schilderungen, die eindrucksvollen Fotos und die sehr persönlichen Erzählungen, wie sie es geschafft haben, als Kletterer einige der großen Herausforderungen an den klassischen Granitwänden des Yosemite Valley zu bewältigen.
Immanuel Hick, Immanuel Stahl
Jürgen Lohrmann (Redaktion)